23.07.2013 tabriz, iran.    grad mal eine woche im iran, und schon drei absolute highlightes erlebt. zur einstimmung erstmal ein bild: diese beiden herren begleiten uns auf schritt und tritt, fernhin sinnend mit gefurchter stirn die geschicke seines landes lenkend der eine, milde laechelnd wie ein guetiger vater der andere, les voila:

die letzten dreissig kilometer nach iran gehen sehr leicht, den ararat im ruecken erreichen wir die grenze. die fernfahrer warten hier in einer kilometerlangen schlange auf die abfertigung, zwei tage sinds meist. und machen sich's gemuetlich. wir werden erstmal zum fruehstueck eingeladen, fuer reisende (ob lkw oder rad) gibts schliesslich keinen ramadan... es ist eh toll wie nett die immer zu uns sind, laden uns zum tee ein, hupen und winken, halten abstand, da koennen sich viele autos ein scheibchen davon abschneiden. wir kommen uns manchmal vor wie idefix neben obelix.

fuer uns geht der grenzuebertritt schneller, eine halbe stunde papierkram und warterei, dann landen wir im buero einer jungen, unglaublich charmanten grenzbeamtin (gibts im iran ueberhaupt beamten?). sie befragt uns etwa eine halbe stund lang. warum wir in den iran wollen, was in unseren medien so ueber den iran kommuniziert wird, unsere meinung zu verschiedenen geopolitischen themen, das verhaeltnis verschiedener staaten zueinander, fragen der energiesouveraenitaet und was wir denn vom iran insgesamt so halten. sie erklaert uns ihre sicht der dinge, dann duerfen wir rein. puhhhh...

wir bleiben nicht auf der hauptroute richtung teheran, sondern stechen gleich ins gebirge, gen sueden. der iran ist weitgehend durch gebirge gegliedert, dazwischen lauter becken, die -natur der sache- durch berge voneinander getrennt sind. berge lassen radlerherzen ja bekanntlich hoeher schlagen (bis zum halse), hier wird noch mein geographenherz zu freudenspruengen angeregt. gezackte bergruecken wie schlafende drachen, ein "vulkanembryo" mit feinen basaltsaeulen wie orgelpfeifen. bei wanderungen mach ich mit sirke immer ein geographie-repetitorium (das studium ist lange her...). nach "gekritztem geschiebe" im piemont ist nun "schichtrippenlandschaft" ihr neuer lieblingsterminus.

in den bergen (auch schon in der ost-tuerkei) treffen wir immer wieder auf die zelte von halbnomadischen hirtenfamilien, kein huegel ohne ziegen- oder schafherden.

die kleineren doerfer sind inzwischen komplett aus lehm, und zur strasse hin ist alles verschlossen. fuer uns komplett unueberschaubar. doch im end werden wir zum dorflaedle geleitet, alt und jung schauen zu, wie wir kekse, (alkoholfreie*) radler und doogh (joghurt, wasser, minze ,koriander, salz) kaufen. und datteln!!! wir essen uns an datteln satt, grosse, saftige, suesse datteln, was besseres gibts nicht.           (*die erzwungene alkoholfreiheit im iran hat den grossen vorteil, dass wir hier ohne angst vor naechtlichen randalierern oder fahrradzusammentretern (wie am tuebinger bahnhof) ganz entspannt vor uns hin schlafen koennen...).

die erste nacht schlafen wir beim roten halbmond, wir wissen ja noch gar nicht, wie das hier so laeuft mit wild campen, die grenze ist auch noch sehr nah. als wir fragen, ob wir auf dem gelaende zelten koennen, holen sie gleich ein katastrophenschutz-zelt und wolldecken aus dem hangar, die profis.

bergaufbergab erreichen wir schliesslich qara kelisa, ein armenisches kloster aus dem elften jahrhundert. gibt hier immer noch einmal im jahr eine grosse wallfahrt der iranischen armenischen christen. an so einem abgelegenen, ruhigen ort warn wir beide noch selten gewesen, die kirche (obwohl sie bedenkliche risse aufweist) ist ein traum.

aus gelbem kalkstein erbaut, heisst sie trotzdem "schwarze kirche", weil der chor aus schwarzem basalt gemauert ist. ganz schlichte formen, filigranste steinmetzarbeiten, unter der kuppel nisten tauben.

und wir duerfen im ehemaligen klostergarten schlafen, was fuer ein glueck! der waerter bringt uns noch meterbrot, das auf kieselsteinen gebacken wird und deshalb ganz hubbelig ist. am naechsten morgen -wir fahren immer vor sonnenaufgang los- verlassen gerade die hirten in alle richtungen das dorf. eine ziegenherde findet uns nett und rennt uns trappelnd nach, wir merkens erst, als die hirtenkinder hinterherrufen.

in salmas machen wir uns erstmal mit iranischem stadtleben vertraut, ist schon wieder alles anders hier. sehr angenehm: es sind viel mehr frauen unterwegs als in der osttuerkei, von ganz schwarz und ganz zu bis sehr offen, modisch und bunt. und viele tragen ihr kopftuch sehr symbolisch auf dem dutt auf dem hinterkopf oder laessig ueber der base-cap. der ramadan wird viel weniger streng genommen, in restaurants wird gegessen, auf den feldern bei der ernte ueberall gevespert, am strassenrand gepicknickt. wir sind natuerlich wieder die bunten hunde. wenn wir anhalten, werden wir umlagert und befragt, sehr freundlich, aber angenehm zurueckhaltender. wir werden ganz oft einfach angelaechelt, wenn sie englisch sprechen, fragen viele leute, was wir denn vom iran halten. sie seien keine terroristen, und sie moegen touristen. viele koennen kein englisch ausser: "i love you!", das sagen sie dafuer umso oefter. immer wieder halten autos an, alle steigen aus zum gemeinsamen foto. wir bekommen aus autos raus melone serviert oder eis oder cola. allein bei der einfahrt nach tabriz (20km stadtautobahn-stress, jeweils fuenf pfund dreck inhaliert) bekommen wir von fuenf leuten adressen und telefonnummern, falls wir im iran mal ansprechpartner oder hilfe brauchen sollten). und im vorbeifahren fallen die leute manchmal fast ausm autofenster vor lauter winken. dann ists angenehm, in der stadt mal wieder "inkognito" zu fuss unterwegs zu sein.

ueberhaupt der verkehr: im prinzip gelten die gleichen regeln wie bei uns. in fact gilts sich zu behaupten. es wird einfach drauflosgefahren, in strassen oder kreisverkehre wird reingefahren, und die anderen muessen halt ausweichen. nicht uebertrieben. wir fahren wie luchs und eule, zwei augen vorne, je eines rechts und links, und eines ist schon fast am rueckspiegel angewachsen. und dann muessen wir ja auch noch schauen, landschaft, staedte, doerfer, leute...

das allerhaeufigste auto heisst samand, ein pick-up (immer in blau), der iranische lastesel schlechthin. er laesst sich bis zum himmel hoch mit heu beladen. oder mit vier kuehen. fuenf pferden. einer familie mit knechten und maegden. zwei wohnzimmergarnituren. zwanzig oelfaessern. zweihundert gasflaschen. ungezaehlten reissaecken...

dann gibts den paykan. kommt urspruenglich aus england. das design irgendwo zwischen opel cadett aus den siebzigern und wartburg. immer in hell-lindgruen. gerne mit weisswand-reifen und verchromten radkappen. sehr stylisch. (im hintergrund die abendliche beleuchtung: die innenstaedte sind mit verspielten strassenlampen, statuen, riesenpapageien aus beton, brunnen und lichtspielen komplett vollgestellt, alles ist ueppig gruen und bepflanzt und bewaessert, wir kommen uns manchmal vor wie alice im disneyland).

es gibt noch jede menge peugeot (meistens in gelb, weil taxis), die auch im iran produziert werden. und unmengen lkw. mack, elementare last-kraft-wagen. wenn sie (mit stahltraegern oder steinbloecken beladen) an uns vorbeipfluegen, erzittert erst der boden, dann drueckts uns kurz die luft weg, jeder kolbenhub wir uns einzeln ins zwerchfell gehaemmert, und zurueck bleiben wir in einer schwarzen wolke. finstere hoellenhunde. dieser hier hat uns zum tee eingeladen.

doch genug vom verkehr, sind ja schliesslich auch ein teil davon. als solcher verlassen wir die berge und kommen in eine grosse senke. wie eine grosse badewanne. was bleibt uebrig, wenn man das wasser rauslaesst? dreck. und jede menge salz. der orumiye-see ist ein salz-see wie das tote meer, seit einigen jahren geht der wasserspiegel aber immer mehr zurueck und der see droht komplett zu verlanden. das umland wird intensiv bewaessert, und ein neu gebauter damm mit bruecke wirkt sich wohl ebenfalls verheerend auf den wasserspiegel aus. fuer uns ist der damm toll, wir ueberqueren den see und finden kurz nach der bruecke einen wundervoll zusammengebastelten kiosk, der kalte getraenke, tee, kekse und frischwasser verkauft. und salz!!! perfekter zeltplatz.

die uferlandschaft ist voellig surreal. sand aus salz, alles weiss ueberpanzert, das wasser von zartrosa bis blutrot, dazwischen lehm von leuchtend tuerkis bis duester oliv, ueber all dem flimmert die hitze und loest den horizont auf. keine brise, das wasser unbeweglich. ich komm mir vor wie der zeitreisende in h.g.wells zeitmaschine, am ende der welt.

das wasser. dickfluessig und schmierig wie spuelmittelkonzentrat. wir legen uns hin und gehen nicht unter. schweben schwerelos, lautlos, duempeln vor uns hin, doesen ein. so muessen sich wale fuehlen, 20.000 meilen unter dem meer. oder astronauten.

tiefenentspannung, jedes zipperlein, das wir auf der reise hatten, ist vergessen. (bloss ins auge gehn sollte nix, das brennt). 

koennen wir auch gut gebrauchen, die entspannung. vorsorglich. nachts reisst uns ein unerwarteter sturm beinahe das zelt ueberm kopf davon (ein lob auf MSR hoop, es hat gehalten). und der naechste tag wird einer der bisher koerperlich anstrengendsten ueberhaupt.   

zuerst gehts lange durch eine un-landschaft, ueber einer oeden ebene pfeift uns der wind entgegen, am horizont schweben lastwagen in der flirrenden luft. immerhin: ein truck-stopp in einer karl-may-landschaft gewaehrt uns kurze erholung. hierzulande gibts statt tisch und stuhl an den rastplaetzen ueberall podeste, mit teppichen und rueckenpolstern drauf, darauf wird gelagert, geluemmelt und tee getrunken. toll!

darauf folgen viel zu viele lastwagen und autos auf einer viel zu grossen strasse, und als wir eigentlich schon lange genug haben, kommen noch gefuehlte drei albaufstiege, fuenfundzwanzig kilometer ins gebirge. aber klagen gilt nicht! haben wir uns selbst so ausgesucht, wir wollten schliesslich nach kandovar.

die "haeuser" des dorfes wurden in kegelfoermige tuffkegel reingehoehlt, eine mischung aus hobbithausen und "star wars". kein museumsdorf, die leute wohnen hier ganz normal, ueberall ziegen, esel, huehner.

weil's auch noch eine thermalquelle (gut gegen nierenstein) gibt, kommen viele iraner aus der umgebung zum abendlichen picknick hierher. deshalb ueberall die erwahnten liegen und pavillons, wie immer mit wasser- und lichtspielen, und alles in ueppigstem holzimitat. "beton - es kommt drauf an, was man draus macht!!!". die leute bringen ihr essen mit, mieten sich einen pavillon, lassen sich tee und wasserpfeife bringen. und weil wir so muede aussehen, duerfen wir auch gleich uebernachten. auf teppich - schlaf de luxe.

am naechsten morgen durchs dorf gebummelt, salzig eingelegte aprikosen sind die regionale koestlichkeit. und dann nach tabriz runtergepfiffen. eine tolle stadt, riesig, aber angenehm. bloeder turmbau von babylon, ohne gemeinsame sprache ist das mit der verstaendigung oft ganz schoen zaeh, egal ob wir eine guenstige unterkunft suchen oder (noch schwieriger) vegetarisches essen. wir bekommen schliesslich auf farsi aufgeschrieben, wie die ganz einfachen guest houses heissen.

unseres ist wie in einem alten film, alles wirkt verlangsamt. einfachste zimmer, ein wunderschoener innenhof. vor allem aserbaidschanische gaeste, die auf irgendetwas zu warten scheinen, eigentlich den ganzen tag im schatten sitzen und tee trinken.

machen wir auch, wenn wir nicht sights sehen. davon gibts in tabriz ganz schoen viel. einer der groessten ueberdachten basare der welt, mit einem riesigen teppichbazar im zentrum. wir lassen uns durch das gewirr von gassen und hoefen treiben und sind verzaubert.

dann eine moschee, die nach einem verheerenden erdbeben zweihundert jahre lang in truemmern lag und erst in den siebzigern wieder restauriert wurde. super toll gemacht, der bestand wurde belassen, alle ergaenzungen und neubauten sind aus ziegelstein oder gips, muster und farben nur zart angedeutet.

 

 

28.07.2013 teheran, iran.   schon den dritten tag in teheran, und ich komm mit dem schreiben einfach nicht hinterher... kurzer blick auf die karte: wir hatten keinen sagenhaften rueckenwind und haben deshalb auch nicht in 72 stunden 700 kilometer runtergerissen. wir haben abgekuerzt, zum ersten mal. sind in tabris in den nachtzug gestiegen und in teheran wieder aufgewacht.

also fast. die raeder mussten wir sechs stunden vorher aufgeben und haben sie vier stunden nach ankunft wieder bekommen. was fuer ein herzklopfen... gibt nur nachtzuege, mit sehr angenehmen liegewaegen. tee und kekse stehen bereit, als wir einsteigen, im fernsehen eine krimiserie, nette gesellschaft, und auch mal angenehm, wenn die berge von selbst vorbeiziehen...

in teheran erwartet uns roozbeh (sprich ruhsbe), unser erster "warm-shower" gastgeber. (das ist eine weltweites netzwerk von radbegeisterten, die sich gegenseitig bett, dusche, essen und hilfe zur verfuegung stellen, aehnlich wie couchsurfing). eh eine tolle sache, und fuer uns ein absoluter glueckstreffer: roozbe ist phantastisch.

sehr hilfsbereit und voll interessant, er studiert musik und kunst. wir sind jetzt seit drei tagen hier daheim und leben in seiner supernetten familie mit. seine mama ist eine tolle koechin, und die persische kueche ist wirklich komplet neu fuer uns. unbekannte gewuerze und kraeuter. geriebene rosenblueten im joghurt. auberginen in eingedickter schafsmilchmolke, ein gedicht. fuenf jahre lang eingelegter knoblauch, mild und butterzart. gewuerzkuchen, selbstgemachte sirups, essig aus unreifen weintrauben, wilde salate,...

wir lernen staendig neue leute kennen. grad vorher das siebdruckatelier einer guten freundin besucht, gestern mit einer weltreiseradlerin -in spe- eis gegessen, vorgestern bei einem guten freund armenische geistreiche waesserchen verkostet... roozbe begleitet und lotst uns ueberall hin. und ohne ihn waeren wir echt verloren. das ist so eine wahnsinns riesige stadt. wenn wir nur mal schnell um die ecke wohin wollen, wechseln wir mindestens zwei mal den bus (vorne maenner, hinten frauen) und nehmen drei verschiedene autos. das sind quasi private taxis, von aussen nicht erkennbar. man steht am strassenrand und ruft seine richtung, dann wird -wenn platz ist- gehalten. so entdecken wir en passant verborgene perlen in der verbauten stadt, leerstehende kinos und kasinos zum beispiel.

alte stuckverzierte stadtpalaeste, die heut meistens als museen genutzt werden (hier das museum der zeit).

an jeder zweiten hauswand monumentale wandmalereien, fast immer von "maertyrern" aus dem iranisch-irakischen krieg. dazu hat uns roozbe einige kleine, versteckte graffiti gezeigt, gibt aber sehr wenige davon.

zwischendrin haben wir das nationalmuseum besucht, abteilung vor- und fruehgeschichte.

verschiedene basars.

eine komplett verspiegelte moschee, kitsch as kitsch can...

mal wieder neues und leckere naschwerk entdeckt. ganz fluessiger teig wird kreuz und quer auf eine heisse platte geleert, wenn er fest ist, wird er gefaltet und mit nuss-marzipan-paste gefuellt.

naechtens durchkreuzen wir die halbe monsterstadt mit den raedern, roozbe (ohne helm, licht oder spiegel) souveraen vorne draus, wir (leuchtend und blinkend und adrenalindurchflutet) hinterher... besuchen das alte wahrzeichen von teheran, den azady/freedom-square. ausnahmsweise ausserordentlich ruhig hier, er stammt aus der zeit vor der revolution und wird deshalb ein bissel stiefmuetterlich behandelt.

der milad-tower soll das neue, moderne land repraesentieren.

die luft ist bei nacht zwar auch nicht besser, zum schneiden, aber wenigstens hats unter vierzig grad. und die stadt pulsiert. alle kommen zum oder nach dem essen auf die strasse, die parks quellen ueber. alles so bunt, licht und wasserspiele, wir sind komplett reizueberflutet. musik im oeffentlichen raum ist per gesetz eigentlich streng verboten. trotzdem stossen wir im neugebauten "feuer und wasser-park" auf eine grosse skater-anlage. brachial lauter hip-hop, jungs und maedels (!!!) quer durcheinander mit inlineskatern, skateboards und bmx-raedern. sehr laessig!

haben heut frueh das uzbekistan-visum beantragt, zuvor mussten wir - um sieben - bei der deutschen botschaft eine beglaubigung abholen, dass wir wirklich die sind, die wir sind (haetten wir denen auch so sagen koennen). vor botschaften trifft sich immer die radler-community, wir sehen ein nettes paar aus den niederlanden wieder, die wir in istanbul kennengelernt hatten, und einen spanischen radler, auf den wir in dogubayazit gestossen waren. ewiges warten, der buerokratie und ihren oeffnungszeiten und spielregeln ausgeliefert sein, alle haben irgendwelche informationen und tauschen sie aus. agenten tragen rucksackweise paesse vorbei und werden vorgelassen. trotzdem fuehlt sichs komisch an, als wir bei der deutschen botschaft die wartende menge mit unseren deutschen paessen zerteilen wie moses das rote meer und gleich eingelassen werden (weil wir an einen anderen schalter muessen)...

die wartezeit werden wir jetzt mit dem bus in den sueden fahren, in einer woche sollten wir das visum haben (per express-modus, 105 $...), dann koennen wir die visa fuer turkmenistan und china beantragen.

 

 

01.08.2013 isfahan, iran.   ...die perle des orients, eine der schoensten stadte der welt. die fahrt dahin etwas langwierig, weil der bus nach zwei stunden nicht mehr weiterwill. nach langem hin und her zahlt der fahrer den halben ticketpreis zurueck, und alle fahrgaeste verteilen sich auf diverse taxis. die boxen am strassenrand sind ueberall im land zu finden, pro einwohner mindestens zwei. spendenboxen fuers armenhilfswerk.

tatsaechlich haben wir noch nie so viel praechtige bauten und vor allem mosaiken auf einem fleck gesehen wie hier. die beruehmten historischen bruecken der stadt sehen ein bisschen deplaziert aus in ihrem ausgetrockneten flussbett, aber sonst ist alles so, wie's der reisefuehrer verspricht und das auge erwartet...

einzig stoerend auf dem foto, und darueber koennten wir die ganze zeit kotzen: die plakate im vordergrund, alle fuenfzig meter eins. der letzte freitag des ramadans ist der traditionelle palaestina-solidaritaets-tag (obwohl sich iraner und palaestinenser schon wegen der unterschiedlichen konfessionen nicht ausstehen koennen, wurde uns mehrfach berichtet). da finden dann die weltweit ueber die bildschirme flimmernden hass-demo-inszenierungen statt, mit brennenden israel- und usa-flaggen, hetzenden mullahs und einem geifernden mob, der "down with the usa, death to israel" skandiert. deshalb gibts seit einer woche an jeder strassenecke hass-mobilisierungs-plakate. wo touristen vorhanden sind (im august sind fast keine da...), immer auch auf englisch.

am tag der demos sind wir in yazd und schlendern richtung innenstadt. wir beiden (als einzige entgegen der demorichtung) fuehlen uns dabei fast schon wie eine kleine gegendemo. ueberall kameras und flaggen, einige leute sind tatsaechlich im demo-fieber, die allermeisten gesichter sehen aber eher sehr matt und gequaelt aus, ueble stimmung. es gibt wohl keinen wirklichen zwang, zur demo zu gehen, wird aber irgendwie doch "erwartet" von der ach so loyalen buergerschaft. und es stehen sehr viele busse rum, die leute werden aus dem ganzen umland zusammengekarrt zwecks 'die masse machts'...

und wo ich schon am schimpfen bin: wir werden ja sehr viel angesprochen, woher? wohin?, und immer wieder ergeben sich daraus auch sehr nette gespraeche. dass oft auch "germany? very good, bayern munchen, mercedes" kommt, koennen wir noch ertragen. bei "germany? adolf hitler!" muessen wir uns schon sehr zusammenreissen. das kommt oft voll freundlich rueber, und wenn wir versuchen, eine diskussion vom zaun zu brechen: "of cours, he was a diktator,...". andererseits denken die meisten europaeer bei iran auch erst mal nur an baertige mullahs und atombomben... wo uns dann wirklich der kragen platzt: "wir iraner und ihr deutschen gehoeren doch derselben rasse an,..." . auf dieses leider immer wiederkehrende arier-gesabbel koennten wir echt gern verzichten.

genug geschimpft, auf zu den kacheln: weil wir am feiertag in isfahan ankommen, ist die stadt quasi leer und ausnahmsweise auch unglaublich ruhig. hier mal eine moschee von aussen nach innen:

die innenhoefe sind ueberall mit baugeruesten und planen verhuellt, wegen der kombination von unmaessig viel sonne (es scheint der heisseste sommer seit jahrzehnten zu sein. glauben wir sofort) und extralanger ramadan-gebete.

die offenen gebetsraeume wirken trotz der ueppigen fliesenpracht unglaublich schlicht und leicht,  im hauptsaal gibts direkt unter dem zentrum der riesenkuppel einen punkt: wenn wir dort in die haende klatschen, ist das echo in allen bereichen der moschee zu hoeren. 

links hinten in der ecke der gelbe bereich ist -sehr im widerspruch zum islamischen bilderverbot- ein paradiesgarten, mit munteren voegeln, anmutigen gazellen und albernen affen. unbekannt, wie und wann das gemacht wurde und warum es nicht schon laengst ueberfliest wurde... glueck fuer uns!

und ganz im gegensatz zu unseren vorstellungen gehts ueberhaupt nicht so heilig zu, wie wir uns das vorgestellt hatten. die haelfte der anwesenden schlaeft meistens laengelang hingestreckt (bei den weichen teppichen und der kuehle, ginge mir auch so). andere plaudern oder diskutieren, telefonieren, im hof der freitagsmoschee in yazd wird waehrend des gebetes ein motorrad repariert.

genug der moscheen, in isfahan gibts auch noch eine juedische gemeinde. sie ist allerdings seit jahren stark am schrumpfen, weil viele ins exil gehn, auch wenn iran offiziell nicht antisemitisch, sondern nur anti-israel sei... dann noch ein armenisches viertel mit etwa zehn kirchen, einem kleinen museum und einer gedenkstaette fuer die opfer des tuerkischen voelkermordes an den armeniern 1915/16. etwa 20.000 armenier wurden 1605 hierher verschleppt, weil sie geschickte handwerker und gut vernetzte haendler waren. die kirchen sind aeusserlich kaum von moscheen zu unterscheiden.

innen sind sie mit wunderschoenen engeln bemalt. und mit graesslichen folterszenen aus der hoelle und dem leben der maertyrer, hieronimus bosch waere blass vor neid.

wenn wir genug haben von religion und kultur, legen wir uns in einen park und doesen vor uns hin. abends dann fastenbrechen, wir picknicken auf einer verkehrsinsel inmitten von familien, tobenden kindern und doesenden omas. springbrunnen in der mitte, drei spuren verkehr aussenrum. unsere nachbarsfamilie hat den vogelkaefig dabei, der munter pfeifende rabenvogel gehoert schliesslich auch mit zur familie. unser picknick besteht wie ueblich aus fladenbrot, schafskaese, gurken, tomaten, weltallerbesten datteln, obst und keksen, radler und doogh. die hiesige fast-food-spezialitaet ist hingegen nicht so unser ding. in riesigen toepfen werden ganze ziegenkoepfe gekocht. das riecht streng. pro familie gibts dann so ein gares koepfchen in einer tupperdose, eine grosse schuessel safran-reis dazu, und auf in den park...

heimliches highlight von isfahan: das museumsreife naturkundemuseum, ueberquellende vitrinen, hai und wolf teilen sich mit reh und wal-wirbeln eine ecke, formalin-embryos neben kinderzeichnungen von loewen, blumenpraeparaten und mineralien. der vermutlich einzige originale archaeopteryx der welt, kleister und heisskleber kaum zu sehen im daemmerlicht.

die aussenanlagen sind mit selbstgebastelten dinosauriern gestaltet, im eingangsportal ein dramatischer kampf zwischen t-rex und stegosaurus:

 


 

wir kaufen noch ein bluemle fuer roosbehs mama, von einem radelnden blumenhaendler, und weiter gehts in unserer staedte-reise...

 

 

03.08.2013  yazd, iran.      eine uralte stadt am rand der grossen iranischen wueste. die altstadt ist komplett aus lehm errichtet, lehmziegel, lehmputz.

zwischendrin ist alles so organisch, dass wir uns wie die wurzelkinder fuehlen.

enge gassen, von boegen ueberspannt, verwinkelt, stellenweise eingestuerzt, wegen unesco-weltkulturerbe wird inzwischen aber wieder ueberall behutsam renoviert.

und die stadt hat nichts von einem museumsdorf an sich, sie brummt und lebt.

bei den unglaublich filigran geschnitzten abgegriffenen alten tueren und toren geht uns natuerlich das schreiner-herz auf. viele haustueren haben zwei tuerklopfer, die sich im klang unterscheiden. einen ring fuer frauen, einen kloeppel fuer maenner (originell, nichwahr?). so ist immer klar, wer die tuer aufmachen muss.

die besonderheit von yazd sind die zahllosen windtuerme: hohle tuerme mit kuehlrippen ringsum, die die haeuser kuehlen, oft in verbindung mit schaechten (die stadt wird von dern bergen aus ueber ein ausgetuefteltes system von unterirdischen wasserkanaelen, "qanaten" mit wasser versorgt) oder wasserbecken. abends klettern wir auf ein hoteldach, um mal einen ueberblick zu bekommen.

im garten des groessten windturmes verbringen wir -stadt- und menschenmuede- einen ganzen nachmittag und abend. es gibt auch ein kleines restaurant, und der chef hat uns ins herz geschlossen. er drueckt mich immer wieder, serviert uns haeppchen, um die fastenzeit zu verkuerzen, das abendessen ist ein traum. von der umgebenden architektur mal ganz zu schweigen.

und dann gibts hier noch einen zoroastrischen tempel, mit einem feuer, das seit 1524 jahren ohne pause brennt. es ist der wichtigste tempel der zarathustra-anhaenger im iran. das feuer wurde aus indien hierhergebracht, dort lebt der groesste teil der zoroastrischen gemeinde, seitdem sie in grauer vorzeit von hier nach dort ausgewandert waren.

weitere spezialitaet: riesige holzgestelle, die bei bus-prozessionen von schwitzenden, leidenden maennern durch die stadt geschleppt werden (wenn sie sich nicht gerade geisseln):

die fahrt von yazd nach tehran hat schon was vertrautes: nach einer stunde bleibt der bus stehen. klimaanlage kaputt. jemand holt ein ersatzteil, nach einer stunde vergeblicher reparaturversuche gehts halt ohne weiter. sind wir ganz schoen weichgekocht, als wir am naechsten morgen in tehran ankommen...

 

 

05.08.2013 wieder in tehran, iran.   stadtluft macht frei! und ganz schoen muede. brennende augen auch. und hungrig... frei, weil wir nach einem wahren botschaftsmarathon, stundenlangem herumsitzen vor vergitterten botschaftstoren und schaltern und gegensprechanlagen, herumirren in den verwinkelten korridoren der auslaenderpolizei (die leider fast kein englisch spricht), adrenalintreibenden taxi-, bus- und metrofahrten von einem ende der stadt zum anderen (ohne roozbeh waeren wir verloren) alle papiere beisammen haben, um nach dem uzbekistanvisum nun auch das fuer turkmenistan und china sowie die iranverlaengerung zu beantragen. und dann koennen wir uns wieder auf unsere raeder schwingen und raus aus der stadt!!! 

bei der uzbekischen botschaft muessen sich alle auf einen zettel schreiben, der vor dem tor in einer efeu-ranke steckt. fruehmorgens kommt dann immer ein agent einer reiseagentur und schreibt sich und alle seine kollegen auf die obersten plaetze. dann rufen sie sich gegenseitig an und kommen immer gerade rechtzeitig mit dem roller angebrettert. und jeweils einem rucksack voller paesse. die deutsche botschaft hat uns fuer vier DIN-A4-blaetter, auf denen steht, dass wir wir sind, schlappe hundert euro berechnet. so laeuft das.

die brennenden augen kommen von der ueblen dunstglocke, in der teheran dank des chronischen verkehrskollapses staendig vor sich hin wabert. lichtblick: an den meisten strassen entlang gibts kleine kanaele, durch die fast staendig gurgelnd und rauschend wasser fliesst. das ist wirklich ein segen in einer stadt, die keinen fluss hat.

und hungrig, weil uns der ramadan inzwischen dermassen auf den geist geht. in isfahan wars manchmal nur nach langem suchen moeglich, irgendwo einen kiosk zu aufzuspueren, um wenigstens kekse und wasser zu kaufen. zumal wir an einem feiertag angekommen sind, dem karfreitag hoch zehn der schiitischen moslems, die stadt komplett ausgestorben, alle beim buesen.

 


06.08.2013  tehran, iran.   was fuer ein glueckstag! wir sind fruehmorgens als erste bei der auslaenderpolizei und bekommen innerhalb einer stunde unsere verlaengerung. der turkmenistanantrag ist ebenfalls innerhalb einer stunde gestellt, und dann china: normalerweise gibts ein vier-wochen-visum, mit gefakten flugtickets versuchen viele radler, zwei monate rauszuschinden. wir sind frech und beantragen drei. unsere phantastische sachbearbeiterin sagt, das sei schwierig, aber dann ruft sie ihren chef an, der kommt vorbei, schuettelt den kopf. sie redet eine weile auf ihn ein, dann sagt er o.k. und fertig... so ganz glauben koennen wir das erst, wenn wir naechste woche den stempel im pass sehen. 

jetzt muss ich noch ein bisschen schwaermen von der gastfreundschaft von roozbeehs familie und den freunden. (links roozbeeh, dann artu, ein finnischer fotograph, roozbeehs mama, wir, sein weltreise-onkel, sitzend sein bruder mehmet und stehen ein cousin). von der phantastischen kueche, seine mama bekocht uns jeden tag mit den leckersten vegetarischen gerichten, wir koennen uns noch gar nicht so recht vorstellen, ab morgen wieder unsere camping-kueche zu aktivieren... besuch und abendessen bei onkel und tante, die weitgereist sind und uns mit tips fuer die weitere strecke versorgen. filmabend in einer fidelen zwoelfer-kino-runde. wir erfahren so viel ueber die iranische gesellschaft und die zwei leben ausserhalb und innerhalb der privaten vier waende. ueber hoffnung und desillusion angesichts des neuen praesidenten, der vorgestern in sein amt eingesetzt wurde.

wir bedanken uns herzlich und hoffen auf ein wiedersehen! in europa - das wird allerdings nicht so einfach. der kurs des rial stuerzt immer weiter ins bodenlose, das land (und die leute) werden immer aermer. ein drei-monats-schengen-visum ist nur noch sehr schwer zu bekommen, und beim derzeitigen wechselkurs sind europareisen fuer die meisten leute eh unerschwinglich.

beim schlendern in der stadt stossen wir auf einen schwarzmarkt fuer 'drugs'. keine drogen, sondern medikamente. diese werden seit einiger zeit ebenfalls sanktioniert, und viele praeparate sind inzwischen im iran nicht mehr zu erhalten. roozbe hatte vor einiger zeit beim wandern einen hundebiss abbekommen. in der klinik gibts keinen tollwutimpfstoff mehr, und auf dem schwarzmarkt gabs zu wenig fuer die komplette impfprozedur. ob sich das regime davon beeindrucken laesst?

 

 

13.08.2013 gonbad'e'kavus, iran.   ich stell jetzt mal die behauptung auf, es gibt zwei dinge, wo "die iraner" echt allesamt austicken. ramadan-ende-feiertag und strassenverkehr. letzte woche fiel das beides zusammen, und wir hatten echt das gefuehl, die haben sie nicht mehr alle. nach unserer -sehr hautnahen- beobachtung begibt sich zum ende des ramadans hin alles, was raeder hat, ans kaspische meer. zum feiern. und alle verkehrsregeln, die ohnehin nur als richtwerte gelten, sind vollends ausser kraft gesetzt. wir koennen uns wenigstens langsam in diese situation reinschleichen. teheran verlassen wir mit dem bus (wobei zwischen roozbehs haus und dem busbahnhof immerhin 19 km stadtverkehr liegen). dann naehern wir uns der passhoehe des alborz-gebirges auf einem ganz kleinen straessle, so gut wie kein verkehr, am fusse des damavand entlang (diesem hoechsten berg irans, 5671 meter hoch, aber einfach zu erwandern, haben wir einen besuch versprochen, beim naechsten mal). eine wunderbar weite und sehr karge landschaft, nur einige kleine baeche.

wellige huegel gehen in steile berge und felswaende ueber, zwischendurch einzelne imker- und hirtenzelte oder huetten.

vor dem pass treffen wir dann auf eine der vier schnellstrassen, die das gebirge ueberqueren. dicht an dicht schiebt sich eine auto-, motorrad- und lkw-schlange durch die berge. vollbesetzt mit hysterisch froehlichen menschen. sie dauerhupen, johlen und kreischen aus dem fenster, bremsen neben uns ab, um neben uns her zu fahren und uns zu interviewen. manchmal bremst dann auf der ueberholspur ein weiteres auto ab, um zu fragen, was es da zu sehen gaebe. und dann vielleicht noch ein motorrad von rechts, voll besetzt mit kind (auf dem tank), papa (fahrend), saeugling (auf dem arm der) mama (halb auf dem gepaecktraeger, nebst gaskocher, teppich, picknickkorb). manche autos fahren zwei kilometer neben uns her, reden auf uns ein, filmen und fotografieren uns (aus kuerzester entfernung voll ins gesicht), und wenn sie dann hupend weiterbrausen, wartet schon ein weiteres auto. alles total ausgelassen, froehlich, laut, im vollsten verkehr. unsere ohren schreien. motorraeder fahren in voller geschwindigkeit in kurven auf der gegenfahrbahn (wie james bond) wenn der verkehr mal stockt. sport der wilden jugend: mit dem frisierten moped so nah wie moeglich radler ueberholen. iran hat sich seinen platz unter den top 10 im weltweiten verkehrstoten-ranking wahrlich verdient...

wir erreichen grad noch rechtzeitig zum fest das meer, mindestens geschaetze eine million menschen haben ueberall ihre zelte aufgeschlagen und die teppiche ausgerollt, ueberall grillfeuer und teekocher, es wird gegessen, getrunken, gesungen und getanzt, obwohl es nieselt und immer wieder richtig regnet, wird ausgelassen gebadet. (davon gibts leider kein bild, wir waren von dieser wuseligen stimmung nach all dem verkehr echt ueberfordet. deshalb ein bild von einem abgelegenen strand am naechsten tag. im meer die trennvorhaenge zwischen maenner- und frauenbereich, sie sind aber hochgerollt und werden nicht benutzt, weil eh alle in ihren kleidern baden).

regen ist in diesem trockenen land nichts, was den leuten die laune verderben wuerde. viele iraner haben uns vom "dschungel" nordirans vorgeschwaermt. alles ist tropfnass, klamm, feucht, viel schilf, ansonsten baeume, aecker, felder, fuer den iran absolut exotisch, fuer uns siehts ein bisschen aus wie bodensee-hinterland, nur mit palmen...

wir lagern etwas abseits an einem der zahllosen kleinen grillplaetze in einem bretterhuettchen, und es kommen staendig neue familien, packen alles aus, grillen, trinken, singen und tanzen eine stunde lang oder zwei und ziehen dann weiter.

das feiern dauert das ganze wochenende. morgens schaelen sich dann ueberall leute aus ihren decken, zuenden den grill fuers fruehstueck an, rauchen die eine oder andere wasserpfeife, wirken leicht zerknittert, aber gluecklich. (uns wurde ganz schoen viel wodka angeboten, dafuer dass der hier so schwer zu bekommen ist...)

wir biegen vom kaspischen meer in die turkmenische steppe ab, es wird gleich wieder trocken und heiss. und innerhalb weniger doerfer und stadte aendert sich der gesichtsschnitt und die kleidung der leute voellig. die leute sehen sehr viel "asiatischer" aus, die frauen tragen leuchtend bunte bodenlange kleider, verheiratete frauen haben immer einen reif auf dem kopf, unter dem kopftuch. und weil wir rueckenwind haben, legen wir die strecke bis gonbad echt fix zurueck. 146 tageskilometer, unser bisheriger rekord. in gonbad kommen wir bei amin und samira unter. ein sehr suesses und sympathisches warm-shower-paar, sie empfangen uns voll herzlich. amin ist milchwerker (und haelt nebenher bienen in den bergen, mit sehr wuerzigem honig frisch aus der wabe), samira arbeitet bei einer bank.

als sie feierabend haben, zeigen sie uns die stadt. hauptattraktion ist der hoechste lehmziegel-turm der welt, ueber 50 meter hoch, ueber 1000 jahre alt, innen wie ein zuckerhut geformt. meterdicke waende, er hat schon drei erdbeben ueber staerke 6 der richterskala ueberlebt, das letzte hat die stadt hier komplett verwuestet. toll ist, wenn wir im zentrum des turmes klatschen. das echo ist fast schon beaengstigend. und zehn meter vor der eingangstuer gibts einen punkt, wenn dort gesprochen wird, ists im turm drin ganz laut zu hoeren.

die nacht verbringen wir mal wieder im bus, back to tehran. und das unglaubliche ist war: wir haben einen 90-tage-aufkleber in unserem pass fuer china! der botschafter laechelt milde, als ich versuche, mich auf chinesisch zu bedanken... fuer turkmenistan bekommen wir innerhalb einer stunde die erwarteten fuenf tage, dann gehn wir zu roozbehs familie. inzwischen ist ein finnischer couch-surfer eingetroffen, artu, ein fotograf. es gibt wieder gemeinsames leckerstes essen und einen sehr herzlichen abschied. spaeter treffen wir noch freunde von roozbeh. sie war vor zwei jahren mal in deutschland gewesen, ganz im sueden, in einer entzueckenden kleinstadt mit einem fluss. als iranische delegierte in einem stadtplanungskongress, im geographischen institut. die stadt hiess tubingen oder so... kleine welt. die taxifahrt zum busterminal durch den tehraner feierabendverkehr erinnert uns an ein autorennen-videospiel, das zu demozwecken zu schnell abgespielt wird. wir stellen uns auf den ruecksitzen tot, vielleicht hilft das... dann durchs naechtliche gebirge mit dem bus, tausend stopps. als wir morgens um fuenf geraedert in gonbad ankommen, erwartet uns ein leckeres fruechstueck. amin war nachts bei den bienen und hat honigwaben mitgebracht. als die beiden schon zum arbeiten aufgebrochen sind, entdecken wir, dass sie gestern unsere fahrraeder geputzt haben... die schaetze!

nachmittags fahrn wir dann gemeinsam in die berge. wir hatten "khaled nabi" eigentlich als abstecher auf unserer route eingeplant, aber die beiden laden uns ein, weil es einer ihrer lieblingsplaetze ist. nach zwanzig kilometern steilster schotterpiste sind wir nicht unfroh, im auto zu sitzen... die landschaft ist schon fast marsianisch: vom "berg gottes", auf dem ein wichtiger prophet begraben ist, schauen wir auf eine lehm-duenen-landschaft herab, die sich am horizont verliert. das grabmal ist eher unscheinbar, ein mehrere meter hoher holzpfahl erweckt unsere aufmerksamkeit: wer daran hochklettert und dann auch noch reinbeisst ins holz, wir von seinen zahnschmerzen kuriert, so eine turkmenische ueberlieferung. wir trinken lieber mit einer turkmenischen pilgerfamilie tee und naschen suesses, hilft auch (nur halt nicht gegen zahnweh).

einige hundert meter vom heiligtum entfernt der eigentliche schatz dieser einsamen gegend: ein friedhof. von einer unbekannten kultur. nicht mal genau bekannt, wann sie gelebt haben, wer sie waren sowieso nicht, es gibt auch sonstwo keine spuren von ihnen. nur ihre grabsteine haben sie uns hinterlassen. bedeutende persoenlichkeiten mit grossen grabsteinen, einfache leute mit kleinen. wo frauen und wo maenner drunter liegen ist ziemlich eindeutig. dass sexualitaet in ihrer kultur eine wichtige rolle gespielt haben muss, war nur eine spontane vermutung von uns...

tragisch ist, dass waehrend der letzten jahre viele der grabsteine umgestuerzt oder gar zerbrochen wurden. das passt zur denkmal-politik des regimes: kulturgueter aus der zeit vor der islamisierung des landes werden wohl einfach nicht gepflegt und dem verfall preisgegeben (selbst so wichtige staetten wie persepolis), waehrend alles, was nach der islamisierung des landes gebaut wurde, renoviert und unterhalten wird. 

und hier kommen wieder unsere nervigen "arier" ins spiel. der schah - vor der revolution - hat naemlich ganz stark versucht, an die vorislamische tradition irans anzuknuepfen, die persische kultur und geschichte gegenueber der islamischen in den vordergrund zu stellen. das regime hat dies umgedreht und das land "arabisiert". und wenn uns jetzt viele auf ihr ariertum ansprechen und "die araber" schlechtmachen, so ist dies wohl vor allem eine abgrenzung von der verordneten islamischen kultur des regimes. wurde uns so erklaert, klingt plausibel. trotzdem sind uns diese gespraeche unangenehm, zumal wir oft auch antisemitismus raushoeren / vermuten ???

 

 

17.08.2013 bojnurd, iran. ploetzlich stehn sie in der landschaft. schauen uns an mit ihren kugeligen, sanften augen und den schoen gebogenen wimpern: zwei kamele. ansonsten immer noch sehr viele esel (meist weisse), pferde, schafe, ziegen. und bei jedem schritt myriaden von heupferden, wenn sie davonflattern, leuchten ihre fluegel hellorange. eins davon wollte unbedingt mitfahren, als passagier auf der klingel.

voegel gibts viele, kleine unscheinbare singvoegel, hoch oben kreisend sehr grosse (wahrscheinlich geier, die drauf warten, dass uns das wasser ausgeht) und wunderschoen blaue. lebend sind sie viel zu flink fuers foto, tot finden wir sie viel zu haeufig auf der strasse.

und dann noch: wildschweine! fast zahme, wir treffen sie im nationalpark von golestan, wieder ein "jungle", zwischen schoenbuch und verdonschlucht. sie raeumen ein bisschen den wald auf, einen der beliebtesten picknickplaetze zwischen tehran und mashad (der wichtigste schiitische pilger- und urlaubsort im westen irans).

alle zehn meter ein auto, unmittelbar daneben oder ein paar schritte im wald drin eine familie beim picknick. wir sind ja grosse fans der iranischen picknick- und zeltkultur, nur einen makel gibts fuer uns: den muell. er tuermt sich ueberall, und obwohl wir die iranische kultur als eine sehr aesthetische empfinden, scheint sich niemand daran zu stoeren. die leute lassen alles grad da liegen, wo sie sind. zum picknick werden dann ein paar quadratmeter freigeraeumt, damit der teppich drauf passt, alles drumrum scheint egal zu sein.

wir fahren/schieben einen entsetzlichen berg hinauf, um an einem wasserfall zu rasten. und werden gleich von einer londoner iranerin und ihrer familie adoptiert. sie ist mit mutter und tante auf iran-urlaubs-rundreise, und mit ihren sieben cousinen. eine ruhige mittagspause wird es nicht, aber voll nett... es reisen oft mehrere familien gemeinsam in den urlaub, und mehrere generationen sowieso.

campen im stadtpark, wie werden wir das vermissen! hier vermissen wir nur 'manchmal' unsere geheiligte europaeische privatsphaere, vom moment unserer ankunft bis zum naechtlichen schliessen des moskitonetzes haben wir eigentlich immer besuch. die leute sind unglaunlich interessiert an uns, fragen uns aus, laden uns zum essen ein, bringen uns haeppchen vorbei. das liegt sicher auch daran, dass hier gastfreundschaft eh hoch im kurs steht, aber noch mehr, dass im iran fast keine touristen unterwegs sind.

  

 

22.08.2013 bajgiran, iran.  bojnurd war eine kleine tuebingen-exklave fuer uns: wir sind zu gast bei birgit (eine freundin von einer freundin von uns), ihrem mann ali (halb bojnurder und halb tuebinger) und ihrer tochter dana (die beneidenswerterweise genausogut farsi spricht wie deutsch und in beiden laendern zuhause ist). sie verbringen die ferien in bojnurd und haben uns neue fahrradketten und oelwechsel-sets fuer unsere geliebte rohloff-schaltung mitgebracht. und leckerlies von daheim... bojnurd ist eine sehr angenehme stadt, quirlig und bunt, aber nicht stressig. es gibt einen hohen kurdischen bevoelkerungsanteil in dieser gegend, die aelteren maenner tragen oft kegelfoermige huete aus ganz grobem braunem filz, typ alm-oehi. sieht sehr lustig aus. dann viele turkmen/innen, die frauen meist in sehr engen, bodenlangen, bunten kleidern und hochgebundenen kopftuechern, die maenner tragen kleine runde bestickte kaeppies ganz hinten dem hinterkopf. wir kommen leider gar nicht so viel rum in der stadt, fahrradpflege und gesundheitspflege (sirkes erster bett-tag auf dieser reise wegen einer erkaeltung) fordern ihren tribut. am ersten abend gibts ne gemeinsame spazierfahrt durch die illuminierte stadt, dann fuehren ali und birgit uns in ein sehr nettes hinterhof-restaurant aus. an den anderen beiden abenden sind wir bei der familie von alis bruder und bei ihren freunden zu gast. es geht sehr herzlich zu, und wir werden wieder mal aufs beste rausgefuettert...

was uns gut gefaellt: zur begruessung gibts tee, melonen und kekse in den riesigen polstermoebel-sitzgruppen, die in der "guten stube" an den waenden entlang stehen. danach wird eine grosse decke auf dem fussboden ausgebreitet, und das essen wird auf dem boden sitzend eingenommen. (unsre tuebinger in der mitte, hinter dem obst).

die zeit vergeht wie im flug, und wir brechen auf, richtung turkmenistan... birgit und ali, danke fuer eure gastfreundschaft! und dana, danke dass du und dein zimmer abgetreten hast ;-)

die gegend um bojnurd und bis nach turkmenistan wird zu einer traum-etappe: wir verlassen bald die hauptstrasse und durchqueren eine gebirgslandschaft auf einem ganz kleinen schotterweg. kein auto, eine handvoll mopeds mit schaefern drauf. immer wieder bekommen wir geleit von den dorfbuben auf ihren raedern.

ein berg nach dem anderen, an radeln ist berghoch meist nicht mal zu denken. abend haben wir (nach 10 stunden) grad mal 50 km auf dem tacho, sind aber hochgluecklich. von der landschaft, der absoluten stille, der unglaublichen freundlichkeit der leute. wir werden in beinahe jedem der kleinen doerfer zum tee und vesper eingeladen, sitzen in gaerten und wohnzimmern, bekommen brot, obst und gemuese mit auf den weg.

uebernachten im garten von einer bauernfamilie, die tochter bringt uns gleich einen riesigen teppich, damit wirs gemuetlich haben, eiskaltes, kristallklares wasser gibts aus dem brunnen nebenan. abends muemmeln die schafe neben dem zelt, und der bauer "plaudert" die ganze zeit mit ihnen.

in einem mini-lehm-dorf bekommen wir fruechte, die aussehen wie kirschen und schmecken wie hagebutten. eine tuete mit frischen fruechten, eine mit getrockneten (der kleine bruder muss aufs dach klettern und welche holen), eine mit den kernen zum knacken.

die wege verzweigen sich immer mehr, sind in keiner karte mehr zu finden, und die richtungs- und kilometerangaben der leute sind sehr vage.

zum schluss gehts noch durch zwei fluesse, und wir erreichen das tal richtung turkmenischer grenze. letzt nacht im iran, wir sind ein bisschen aufgeregt...

 

drei iran-nachtraege, die bisher immer rausgefallen sind, fuer uns aber wichtig:

wir lieben den - fuer unsere verhaeltnisse - verschwenderischen umgang mit frischen kraeutern. zu jedem essen werden berge von frischen kraeutern gegessen, direkt aus der schuessel in den mund. schnittknoblauch, petersilie, koriander, minze, radieschen, was violettes und noch ein anderes. ueberall in den staedten und doerfern ueberquellende staende dieser kraeuter, die jeden tag frisch geerntet und kiloweise gekauft werden.

dann das gute hock-klo: es ist nicht nur die einzige moeglichkeit, ein oeffentliches klo hygienisch zu betreiben, ohne koerperkontakt. fuer uns hat es (seit der tuerkei) haeufig die begehrte und benoetigte abendliche dusche ersetzt. weil: trotz schlechter versorgunglage mit klos ist doch immer eins zu finden, in den tuerkischen moscheen und den iranischen parks gibts fast immer welche. dann haben sie meist einen schlauch, nicht nur ein eimerle. kurz den boden putzen, duschen, gut schlafen!

NO TAROV!!!    tarov ist die iranische version von hoeflichkeit: allen muss immer alles angeboten werden, essen, hilfe, unterkunft, egal was. das ist eine form der hoeflichkeit, die ablehnung des angebotes ist ebenso selbstverstaendlich und hoeflich. erst beim drittenmal hin und her wirds dann ernst, wobei selbst iraner oft schwierigkeiten haben zu erkennen, ab wann ein angebot wirklich ernst gemeint ist! wir werden oft begruesst: no tarov, say what you really want! und wissen natuerlich nicht, ob das wiederum tarov ist... wir wundern uns, dass leute von uns nix annehmen, suessigkeiten, obst, ... und realisieren erst kurz vor unserer ausreise, dass das immer tarov war. und wir haben erzaehlt bekommen, dass viele iraner in europa hungrig vom tisch aufstehen, weil sie erstmal alles ablehnen und dann kommt kein zweites angebot hinterher.