22. bis 25.08.2013 absurdistan.   offiziell heisst das land ja turkmenistan. es ist das absurdeste, was wir jemals besucht haben. schon an der grenze, die beamten tragen absurd grosse schirmmuetzen, blicken sehr streng. wir duerfen nicht zwei naechte in ashgabat schlafen, sonst waere es kein transit mehr, big problem... wir rauschen die berge runter richtung turkmenischer steppe, hinter der grenze im abstand von zehn kilometern noch zwei mal sperranlagen, zaeune, checkpoints. wir fahren in ashgabat ein. und koennen es nicht fassen: kilometerlange zwoelfspurige (!!!) boulevards, und fast keine autos unterwegs. menschen schon gleich gar nicht.

die mittelleitplanke besteht haeufig aus kilometerlangen wasserspielen oder springbrunnen. gesaeumt von hunderten hochhaeusern aus weissem marmor. alle strassenschilder und laternen und muelleimer und... in gruen/weiss pulverbeschichtet mit vergoldung und staats-symbolen oder komplett aus massivem edelstahl.

vor fast jedem oeffentlichen gebaeude eine goldene statue des "fuehrers aller turkmenen". das war der vorgaenger des jetzigen diktators. ueberall plakate des gewinnend laechelnden "praesidenten". an absolut jeder strassenecke ein uniformierter mit riesenpolizeischirmmuetze. futuristische bauten, die an science-fiktion aus den siebzigern erinnern.

der verkehr allerdings sehr angenehm, diszipliniert und wenig. der asphalt scheint poliert. die reifen quietschen wie im krimi beim anfahren, bremsen, kurve fahren. die leute irgendwie gedaempft, schauen uns regungslos an, kein "hello where are you from?". wir steigen in einem etwas maroden plattenbau-hotel ab, es gibt nur wenige fuer auslaender zugelassene hotels. hinter den boulevards findet das "richtige leben" statt.

plattenbausiedlungen, auch nette reihenhaeuser mit weinlaubbegruenten holzveranden, sieht oft aus wie in einer russischen kleinstadt. allerdings werden ganze viertel abgerissen fuer neue marmorhochhaeuser oder raketenbauten.

abends schauen wir fern. es gibt drei sender: im einen sehen wir den praesidenten beim eroeffnen von irgendwelchen bauten (bauarbeiter mit faehnchen und blumen) oder jubelfeiern mit gluecklichen menschen in trachten. im anderen musikvideos: saenger mit weissem hemd und schwarzer kravatte und kleiner runder muetze auf dem hinterkopf im prunkvollen (aber leeren) stadtpark oder vor einem der springbrunnen oder denkmaeler besingen eine junge schoenheit in traditionellem rotem gewand mit langen zoepfen. sie kommen sich naeher und gehen am schluss in den sonnenuntergang. alternativ: der mann in schaffellmuetze und roter bluse mit laute, die frau im gleichen gewand, aber mit traditionellem schmuck.

am naechsten tag sehen wir, dass viele junge frauen genau dieses rote kleid tragen, und zwei zoepfe haben auch fast alle. die maenner: weisses hemd und schwarze krawatte und kleines rundes kaeppi auf dem hinterkopf... dann gibts noch russische krimiserien. die gewaender sehen schoen aus, sehr bunt, die zoepfe und kaeppis auch, aber irgendwie ists uns immer wieder gruselig zumute.

wir wollen ein zugticket nach turkmenabat kaufen, alle zuege fuer diese woche sind aber ausverkauft. bustickets gibts erst am naechsten morgen ab halb sieben. der einzige bus, deran diesem tag zwischen der hauptstadt und turkmenabat verkehrt, ist dann aber ploetzlich schon ausverkauft... wir muessen aber raus, das visum laeuft ab, es sind ueber 600 km bis zur grenze. dank sirkes beharrlichkeit bekommen wir doch noch ein ticket, und nach uns nochmal 15 leute. (ueberhaupt werden wir oft uebergangen, am schalter oder an der kasse weggedraengt, bekommen laechelnd phantasiepreise genannt, die sich muehelos um faktor fuenf nach unten korrigieren lassen, sehr ungewohnt). wir stehen und hocken 400 km bzw. acht stunden lang im mittelgang des busses, die strasse eine aneinanderreihung aus schlagloechern und brachliegenden baustellen. die landschaft: staub und steppe, hin und wieder nette doerfer mit weinlauben und bewaesserten feldern, danach wieder staub und steppe. dann geht (mal wieder) der bus kaputt. wir erkennen unsere raeder und gepaeck fast nicht mehr, alles ist einheitlich staubfarbig. ich pinkel an einen baum am strassenrand, da kommt ein polizist mit riesenschirmmuetze, nimmt mir den pass weg und will mich auf die wache schleppen, ein protokoll schreiben. ich muss ihm meinen pass ebenfalls energisch wieder entwinden und klarmachen, dass das nicht geht.

weiter gehts dann in taxis, wir finden zum glueck einen kombi mit sehr nettem singendem fahrer. durch staub und steppe weiter nach turkmenabat, das erste hotel will 60$ pro person... es gibt zum glueck ein zweites, netter und billiger.

 

wir sind froh, am naechsten tag auf die raeder zu steigen und richtung grenze zu fahren. hier - auf dem land - sind die leute wesentlich entspannter und netter, zumindest der abschied von turkmenistan wird freundlich!

wir ueberqueren auf einer sehr starpazierten ponton-bruecke den syrdarya, da faellt mir der erdkundeuntericht in der grundschule ein: wir mussten in blanko-landkarten der kontinente staedte, fluesse, seen und gebirge einzeichnen und benennen. zwischen amur-darya und syr-darya ein baumwollpflaenzchen-symbol, im kaspischen meer ein gasfoerderturm. und da sind sie: baumwollfelder und baumwollpflueckerinnen.

irgendwann, mitten im nichts, die grenze. die turkmenische prozedur ist steif und foermlich, die uzbekischen grenzer machen nur quatsch. einer zieht mich an der nase, weil ich in ihrem "uzbekisch-fuer-anfaenger-kurs" was falsch ausspreche. sie albern herum, offensichtlich ist ihnen langweilig, sie wissen nicht so recht was tun. hinter ihrer grenze warten weit ueber hundert lastwagen in saub und steppe auf die abfertigung...

 

27.08.2013 buchara, uzbekistan.    die ankunft in uzbekistan tut uns so wohl. wenig verkehr und langsam (die strassen sind ziemlich marode), die leute sind unglaublich freundlich, wieder lachen und winken, aber kein !!! hupen. gluecklicherweise regelmaessig teehaeuser, und wieder neue laeden: nudeln, reis und tee aus saecken und kekse aus schachteln zum abfuellen, sehr bunte sehr suesse limos, dosen, aber sonst nicht so viel. die bazare in grossen offenen hallen, ohne den "orientalischen flair" der kuppelueberdachungen, eher ein sowjet-erbe, aber uns gefallen sie toll.

ueberall grillbuden, gemuese und obst muessen wir noch suchen (scheinen am ehesten am strassenrand verkauft zu werden). die doerfer und staedte machen einen freundlichen eindruck. tueren und fenster sind oft geschnitzt, viele lauben mit wein.

wir finden einen schlafplatz im garten eines alten mannes, der eine kleine werkstatt am strassenrand hat und im bauwagen wohnt. er freut sich ueber unsere gesellschaft. wir koennen aber leider kein russisch und trinken zusammen tee mit hand- und fuss-kommunikation. (mit tuerkisch gehts aber hin und wieder ganz gut, und viele junge leute sprechen hier auch englisch).

mit eselsbegleitung radeln wir ein in buchara, "der edlen". eines der zentren der seidenstrasse, eine der historischsten staedte zentralasiens. (und station des "kurier des zaren" von jules verne, eines meiner lieblingsbuecher als kind).

die ganze stadt ist ein einziges freilichtmuseum, medresen, moscheen und ueberkuppelte bazare reihen sich aneinander (unesco-weltkulturerbe...).

fuer uns erstmal in kulturschock: wir haben seit istanbul hin und wieder ein paar radreisende getroffen, und in tehren und isfahan zusammen vielleicht zusammen 20 touristen. hier ploetzlich scharen von reisenden, die altstadt mit hotels zugepflastert, "man spricht deutsch". muessen wir erstmal verdauen. die hotels sind aber sehr toll, meist in den haeusern ehemaliger haendlerfamilien, mit tollem innenhof, schnitzereien, balkonen. ueberhaupt ist die stadt sehr freundlich, viel weiss und himmelblau zwischen den alten ziegelbauwerken. in jedem historischen gebaeude souvenirshops, teppiche, stoffe, messer, kleider, bilder, puppen, ... gegenueber (aber das ist ein ausrutscher) beer and burgers... wir besuchen etliche der medresen, vor allem, weil die innenhoefe und decken so kunstvoll gestaltet sind.

das wichtigste gebaeude bucharas: ein mausoleum, der aelteste erhaltene sakralbau in der islamisch-arabischen welt. nur aus ziegeln gemauert, aber mit wunderschoenen mustern.

fast noch schoener siehts aus der luft aus: nebenan ein - ebenfalls historischer - jahrmarkt, mit riesenrad, karusells, tretbooten und zuckerwatte. aus den lautsprechern toent "we wish you a merry christmas". wir koennen uns kaum losreisen!

sirke braeuchte mal wieder nen neuen haarschnitt, und wir kommen bei einem mini-friseur-laedle vorbei. die haarwaesche erfolgt aus plastikflaschen in einer kleinen plastikwanne, der haarschnitt wir supernett. und sieht sehr toll aus!

 

 

31.08.2013 samarkand, uzbekistan.  wenn buchara "die edle" war, so ist samarkand "die ueppige". so einen verschwenderischen umgang mit fliesen in den leuchtendsten tuerkis- und blautoenen haben wir noch nie gesehn.

wir schaffens, am 22. unabhaengigkeitstag uzbekistans anzukommen, und dann ist auch noch der hoehepunkt des wichtigsten folklorefestivals zentralasiens, die stadt ist aus dem haeuschen. wir koennen erstmal gar nicht zu unserem b&b, die strasse ist wegen des "staatsaktes" gesperrt. dann noch ein feuerwerk, und endlich duschen...

die fahrt hierher war ein einziges kilometerfressen. zentralasiatische steppe, topfeben, meistens bewaessert, die kanaele (ich zitiere eine schweizerin, die dies mal ueber die elbe in hamburg gesagt hat) "a huurengruusige dunkelbruune bruehi"! am strassenrand vor allem baumwollfelder. uzbekistan ist einer der groessten baumwollexporteure der welt, die produktion ist in staatlicher hand. trotz internationaler proteste wird hier nach wie vor viel kinderarbeit geleistet, zur ernte werden aber auch studierende zwangsrekrutiert. vom duengemittel- und pestizideinsatz mal ganz zu schweigen, und dass im aral-see kein wasser mehr ankommt vor lauter bewaesserung hier. schlimmschlimm. uzbekistan ist kein armes land, ausser baumwolle gibts noch viel gas, gold und uran. trotzdem ist ein grosser teil der bevoelkerung sehr arm, die meisten sind bauern. viele leben von dem, was sie selbst anpflanzen, viel ist das nicht.

die enkelin der legendaeren seidenstrasse besteht aus schlagloechern, asphalt ist stellenweise fast nicht mehr vorhanden. die gegend ist dicht besiedelt, staendig kleine doerfer oder staedtchen, eine mischung aus wirklich huebschen bauernhaeusern, die immer ummauert sind und wunderschoene innenhoefe mit gaerten haben, und plattenbau-wohnsiedlungen. kleine laedchen, in denen es aber oft fast nix zu kaufen gibt. wir holen mittags ein brot und kekse in einem dorfladen, da bringt uns die verkaeuferin zwei schemel, ihre teekanne und eine handvoll tomaten aus dem garten. die freundlichkeit hat noch mehr naehrwert als das vesper! brauchen wir: ein gegenwind, dass wir manchmal meinen, gleich gehts rueckwaerts. staub knirscht zwischen den zaehnen. unsere lichtblicke: die teegaerten am wegesrand, die ruhebetten sind oft ueber kleine kanaele gebaut, wegen kuehl.

die vielleicht schoenste einladung bisher: wir wollten eigentlich nur unsere ruhe, zelt aufbauen, kochen, essen, schlafen. fragen, ob wir dies auf einer brache neben einem bauernhaus tun duerfen, in einem ganz kleinen dorf. kommt nicht in frage, wir werden eingeladen. mama mit drei toechtern, der papa kommt erst spaet nach haus. es ist alles so einfach: fast leere raeume, ein stapel mit decken und kissen, die abends zum schlafen ausgebreitet werden, ein paar wenige kleidungsstuecke am haken. ein toller garten, ein paar huehner. wasser aus eimern aus dem dorfbrunnen. staendig wird der lehmboden besprenkelt und gekehrt. das abendessen wir vorbereitet. kartoffeln, kohl, zwiebeln, tomaten, eine handvoll salz. als alles geschnippelt ist, fuettert die grosse schwester die huehner mit mais an, schnappt sich das groesste, zwinkert mir zu und macht eine symbolische hals-ab-geste. wir koennen grad noch erklaeren, dass wir eh keine tiere essen, unglaeubiges dreimaliges nachfragen, dann darf der vogel laut gackernd zurueck zu den seinen rennen...

gekocht wird ueber einem offen feuer, ein grosser eisenkessel zwischen zwei lehmwaenden. mama und schwestern fuettern abwechselnd das feuer eine gute stunde lang mit kleinen aesten und zweigen, groesseres brennholz gibts nicht.wir essen auf einem grossen gemauerten podest in einer art veranda, den gemueseeintopf, brot aus dem lehmbackofen, melone, tee.

nach dem essen werden fotos angeschaut, einschulung, schulausfluege, hochzeiten, der opa in schwarz-weiss. es geht so ungezwungen und entspannt und lustig zu, selbst ohne gemeinsame worte. wir bekommen ein lager im groessten zimmer hergerichtet, morgens noch ein gemeinsames fruehstueck, uns kommen fast die traenen beim abschied.

dann samarkand: neben all den weltbekannten prunkvollen medresen und moscheen gefaellt uns am besten die totenstadt mit ihren wundervollen kleinen mausoleen und der zeitgenoessische friedhof mit den tollen gelaserten grabsteinen.

allgegenwaertig ist hier timur lenk oder "tamerlan, der lahme". ein feldherr aus dem 14. jahrhundert, der uzbekische nationalheld. besessen von der idee, das weltreich des dschingis khan wiederzuerrichten, fiel er mit beispielloser grausamkeit ueber die weltgeschichte her, errichtete ein reich von moskau bis delhi, von anatolien bis bagdad. die meisten staedte, die wir in asien besucht haben, hatte er auch schon mal heimgesucht und verwuestet. an politischer weitsicht hats ihm jedoch gemangelt: nach seinem tod ging alles ziemlich schnell wieder den bach runter. auch architektonisch war ein ein hitzkopf: fuer seine prunk-medrese bibi xanom (der name seiner lieblingsfrau) liess er immer wieder neue baumeister einstellen und hinrichten, alles wurde immer wieder eingerissen und noch prunkvoller wiederaufgebaut. als alles fertig war, stuerzte die pracht weitgehend zusammen. statik contra groessenwahn... sein enkel ulugh begh, der mit 15 den thron bestieg, baute immerhin noch eines der groessten observatorien der welt in samarkand und leitete eine kurze phase von naturwissenschaft und kultureller bluete ein.

 

08.09.2013 taschkent, uzbekistan.  metros statt medresen, plattenbauten statt moscheen, prachtboulevards statt staubige gaesschen. auch mal ganz angenehm, wir sind in der (architektur der) ex-sowjetunion angelangt. aber volle! taschkent wurde 1966 von einem erdbeben fast komplett zerstoert, ein mekka fuer die sowjetischen staedteplaner... die stadt ist unglaublich gruen, wirkt wie eine aneinanderreihung von parks und alleen, dazwischen leben ueber drei millionen menschen. unser highlight ist die einzige metro zentralasiens, nach moskauer vorbild erbaut und gestaltet. die stationen sind tempel des fortschritts, prunkvoll und aufwendig gestaltet, unfassbare kronleuchter, halbreliefs, ornamente, marmor. eine mischung aus jules vernes u-boot nautilus, siebziger-raumschiff und sozialistischen arbeiterdenkmalen, wir sind hin und weg. weil sich die ganze metro in einen atomschutzbunker umwandeln laesst, ist fotografieren strengstens verboten, in jedem wagon, in jeder station (wie ueberhaupt ueberall im land) unzaehlige polizisten. hat trotzdem ganz gut geklappt!

 

wir sind hier nicht alleine unterwegs: wir haben babur getroffen, einen pionier des bio-marktes in zentralasien. er ist (sechsundzwanzigjaehriger) geschaeftsmann mit herzblut, beseelt von dem wunsch nach "veraenderung und fortschritt". und hat den biomarkt fuer sich entdeckt, sein vater ist in der solar-branche taetig. erstes produkt waren rabenhorster saefte, dann kamen sonett und naturata dazu. und weil sirkes vater mitbegruender und geschaeftsfuehrer von sonett ist, kam der kontakt und die einladung zustande. so besuchen wir den ersten bioladen zentralasiens! in kasachstan baut babur gerade kontakte auf fuer die belieferung von weiteren maerkten mit bioprodukten, dort geht alles leichter und schneller als im versteinerten uzbekistan. babur sprueht vor engagement, er ist ueberzeugt, dass zentralasien in einigen jahren reif sein wird fuer "bio". sie machen viel werbung, bewusstseinsbildung, vorbereitungsarbeit... mittags zeigt uns babur "seine" stadt. ein paar historische gebaeude sind vom erdbeben uebriggeblieben, es gibt einen tollen gemuesemarkt in einer grossen runden spannbetonhalle. an zwei abenden sind wir bei der familie eingeladen, baburs mutter bekocht uns aufs allerleckerste, beklagt aber ein ums andere mal, dass wir kein fleisch essen. alle traditionellen gerichte uzbekistans und zentralasiens sind mit fleisch. oder besser: sind fleisch mit garitur... die treffen sind sehr herzlich, und wir erfahren sehr viel ueber die lebensbedingungen und die situation in uzbekistan und kasachstan.

die fahrt nach taschkent war eine durststrecke. die landschaft unveraendert flach, viel verkehr, staubig und heiss. nachdem sirke ja in buchara vom bazillus angefallen worden war, traf es mich in samarkand. bei sirke kam alles fix retour, ich bin drei tage lang geradelt wie ein fesselballoon auf raedern. ein mobiler reaktor zur biomasseverfluessigung. als ich dann endlich explodiert bin, wars nur schade um das viele methan, da haette eine kleinstadt eine woche lang geheizt werden koennen damit... ist aber auch sehr einfach, sich hier was einzufangen. das leitungswasser ist meist nicht trinkbar, und alle teller, teekannen und trinkschalen in den teegaerten und bei den familien entlang der strasse werden in den bewaesserungskanaelen gespuelt. gibt nix anderes als dieses wasser. wir kaufen immer melonen am strassenrand. (koch es, schael es, mach es auf!!! melone ist also sicher). der verkaeufer schneidet sie uns auf und legt sie auf einen teller. schoen. als wir fertig sind, spuelt er alles im strassengraben. ein paar meter weiter pflatscht eine kuh vor sich hin...

entlang der strasse gibts zum glueck immer wieder kleine auflockerungen: die uzbekischen patomkinschen doerfer sind polizeiautos aus blech, sie sollen radarkontrollen simulieren. und ueberall kleine verkaufsstaende, wir haben manchmal das gefuehl, die halbe bevoelkerung sitzt entlang der strasse und verkauft irgendwas.

unsere lichtblicke sind die vielen tschajchanes an der strasse. von riesigen schaschlik-massenabfuetterungs-stationen bis hin zu kleinen paradiesgaertchen gibts alles, immer wird wasser umhergesprenkelt zur kuehlung, der gruentee aus schalen ist herrlich. immer wieder werden wir eingeladen. wir hangeln uns von tee zu tee und schlafen meist auch dort im garten.

aber ab jetzt wird die strecke wohl immer schoener, und der bauch tut auch wieder einigermassen. wir muessen weiterhin jede vierte nacht in einem fuer touristen zugelassenen hotel verbringen, dies registriert uns dann bei der auslaenderpolizei. die nachweise muessen wir an der grenze zeigen, sonst wird die ausreise sehr teuer...

 

 

 

intermezzo: wir haben es so satt. alles. am allermeisten "adkuda!!!". dieses wort wird uns seit unserer einreise millionenfach ins gesicht gerufen, nein, gebruellt. (von gefuehlt den allermeisten maennern dieses landes). aus dem auto raus, vom fahrrad runter, aus dem laden raus, ueber die strasse, ueber 400 meter weit quer uebern acker. manchmal werden wir von einer richtigen adkuda-welle durchs dorf oder eine stadt geschoben. adkuda heisst woher, und es gibt kein "hallo, wie gehts, willkommen", nur immer "adkuda!!!". wenn wir nicht sofort "germania" zurueckbruellen, wirds sofort wiederholt, immer noch lauter. wenn wir erstmal demonstrativ freundlich antworten: "salam" (hallo), so wird dies meistens ignoriert: "adkuda!!!". egal ob wir dann germania oder finlandia oder inglis antworten, kommt "germania, ..., aha", dann wird weitergefahren, manchmal grusslos, manchmal wenigstens winkend. manchmal dreht noch der boese mann mit dem kleinen bart das seitenfenster runter und ruft uns ein herzhaftes "germania, heil hitler" hinterher... wir habens sooo satt, dass wir uns nicht richtig verstaendigen koennen. aber auch, dass die leute oft mit krassem unverstaendnis reagieren, dass es auf dieser welt menschen gibt, die kein russisch sprechen. satt haben wir die oede landschaft, den staub, die maroden strassen, dass alles geflickt und kaputt ist. dass es nach verwesung stinkt, weil wieder mal ein hund am strassenrand vergeht oder ein halbes dutzend halbe schafe in der sonne haengen und auf ihren stueckweisen verkauf warten. dass es ueberall nur fleisch mit fleisch zu essen gibt. dass soviele produkte verdorben sind, die wir kaufen (joghurt oder kefir haben wir inzwischen aufgegeben). das grummeln in den eingeweiden sowieso. 

und nach eingehender diagnose konstatieren wir: cholerius voyagensis centralasiaticus, bekannt auch als gemeiner reisekoller. wir hatten uns ja schon gefragt, wann er uns wohl befallen wuerde. gemein ist er, weil er uns die freude am radeln vergaellt und die vielen schoenen begegnungen und erlebnisse versaut. oder erst gar nicht zustandekommen laesst. ein paar tage lang geht das so, kulminationspunkt bei mir die begegnung mit einem aelteren radfahrer: er schiebt sich langsam von hinten an uns ran. grusslos: "adkuda". ich genervt: "salam". er (stumpf): "adkuda". ich (laut, uebertrieben freundlich, giftig): "salam". er (stumpf) "adkuda". ich (resigniert, mit traenenverhangener bebender stimme) "germania". er (unbewegt) "aha" und biegt ab. danach muessen wir nur noch lachen, ueber adkuda, ueber den vielgeruehmten "garten eden zentralasiens", den wir durchradeln, am meisten ueber uns selbst. 

ueberstanden, der koller. adkuda verfolgt uns immer noch, wir werdens ueberleben. sind trotzdem froh, bald nach kirgisistan zu kommen, neues land, neues glueck. unsere letzten uebernachtungsplaetze in uz geniesen wir nochmal: kommen in ein dorf, hundemuede, fragen ob wir beim dorfbrunnen unter ein paar baeumen zelten duerfen. wir bekommen ein kleines leerstehendes haeuschen zugewiesen, offensichtlich ein gaesteraum der gemeinde. richten uns ein und beginnen zu kochen. im abstand von fuenf minuten kommen immer einige maenner, um uns zu begruessen, zu befragen, und mit den fahrraedklingeln zu spielen. als sie dann alle weg sind, kommen die nachbarsmaedchen, schleppen sirke ab, wollen uns daheim unterbringen und ueberschuetten uns mit lebensmitteln. am naechsten abend fragen wir, ... und bekommen einen wunderschoenen und sehr ruhigen!!! garten, tomaten und kraeuter inclusive. die letzte station in uzbekistan ist andijan. wir wollen unbedingt auf dem bazar hier noch die tollen druckluft-fahrrad-troeten erstehen, die die jungs ueberall benutzen. a propos jungs: in zentralasien wird sehr viel rad gefahren. wir haben aber nur eine einzige radelnde frau gesehen, und eine autofahrerin. nicht mal maedchen fahren rad, nie, nirgends, scheint voellig tabu zu sein. das geht so seit der ost-tuerkei, die ausnahme war iran, dort gabs etliche radlerinnen und sehr viele autofahrerinnen.

andijan: nette trubelige stadt, wir fahren direkt zum basar, gefaellt uns ganz gut. 2005 wurden hier um die siebenhundert demonstrierende menschen von den uzbekischen "sicherheitskraeften" erschossen. sie hatten fuer die menschenwuerdige behandlung von einigen inhafterten geschaeftsleuten demonstriert, denen islamistischer terrorismus vorgeworfen wurde. als bewaffnete rebellen das gefaengnis angriffen und alle gefangenen befreiten, wurde die stadt abgeriegelt und die demo zusammengeschossen. offiziell wird immer noch von sieben toten rebellen gesprochen, die im zuge von terrorbekaempfung ums leben kamen...

der grenzuebergang nach kirgisistan ist vielversprechend: in uzbekistan die ueblichen nervigen grenzformalitaeten (wir bangen: werden sie unsere wenigen hotel-registrierungen akzeptieren?), gepaeck-roentgen, stempel hier, stempel da. die grenzer sind zum glueck vollauf mit dem zerlegen von sechs bayerischen "experience the silkroad-adventure-tour"-high-tech-jeeps samt journalistentross beschaeftigt. auf der kirgisischenseite dann ein einziger grenzer, er macht uns einen stempel in den pass und wuenscht gute fahrt. finish. dann faengts an zu schuetten, es kuebelt aus eimern und wird richtig kalt, absurderweise ist mit der grenze der herbst eingebrochen.    

 

 

15.09.2013 osch, kirgisistan.    osch gehoert eigentlich zu uns! haben wir in uzbekistan oefter zu hoeren bekommen. die landkarte von zentralasien sieht aus wie ein ringkampf zwischen uzbekistan, kirgisistan und tadschikistan. voellig verschachtelt. enklaven. exklaven. die hauptstrasse von samarkand nach taschkent geht z.b. 30 km ueber kasachisches gebiet, visumspflichtig. muessen alle auf eine landstrasse ausweichen. in uzbekistan fanden wirs toll, dass so viele ethnien friedlich zusammenleben. wurde uns gegenueber auch immer wieder betont. nur zwei drittel der uzbekischen bevoelkerung spricht ueberhaupt uzbekisch, alle sprechen russisch, viele sind drei- oder viersprachig, oft werden die sprachen innerhalb eines einzigen satzes vermischt. hier jedoch ist die lage politisch sehr angespannt, es kommt immer wieder zu auseinandersetzungen und kaempfen mit vielen toten. osch wird tatsaechlich mehrheitlich von uzbeken bewohnt, die grenzen hier stammen aus der sowjetzeit und wurden bei der unabhaengigkeit uebernommen. und damals war das ziel der machthaber, ethnien moeglichst auf verschiedene republiken zu verteilen und damit eventuelle unabhaengigkeitsbestrebungen zu schwaechen. jetzt ham sie den salat...

osch ist mit sicherheit die marodeste und schaebigste stadt, in die wir bisher gekommen sind. sie scheint aus plattenbauten und containern zu bestehen, die ganz, halb oder stueckchenweise verwendet werden. ich hab den eindruck, als obs in der stadt kein stueck metall ohne rost gaebe, keine fassade ohne blaetternden putz, kein stueck holz ohne morsch, keine strasse ohne loecher. dazu passt das wetter, ueberall steht und fliesst der matsch.

die leute hingegen sind meist sehr schick gekleidet, die frauen stoeckeln elegant auf hohen absaetzen um die pfuetzen, bunteste kleider mit applizierten goldkettchen, leopardenmuster wechseln sich mit leuchtenden farben und mustern ab. viele maenner tragen lustige bestickte hohe geschwungene filzmuetzen, wie wir sie in der mongolei erwartet haetten. und die athmosphaere sehr quirlig und ueberhaupt nicht so triest, wir haben uns schon beim reinradeln wohlgefuehlt in osch. 

die attraktionen der stadt sind der container-bazar und koenig salomons thron. der bazar ist echt spannend. zwischen den ganzen chinesischen klamotten und plastikspielzeugen ploetzlich ein karren voller halber rinderkoepfe, daneben ein stapel mit fuessen, das regenwasser fliesst rot davon. aus einer angelehnten tuer dringt konzentrierte stille und monotones zahlengemurmel. dreissig maenner spielen auf engstem raum mit bohnenkernen bingo, ich werd erst reingerufen, als ich dann aber nicht einsteige (ich versteh die zahlen ja nicht) flieg ich wieder raus. lieber billard im nachbarcontainer? hinter einer unterwaesche-gasse finde ich eine schmiede, zwei schlosser haemmern auf gluehendes eisen ein. netterweise bohren sie mir loecher in unsere troeten-druckzylinder, damit wir sie am rad montieren koennen. ich pilgere im regen zu salomons thron: ein hoher felsenberg mitten in der stadt, er hat sich erhoben, als koenig salomo sich hier niederliess. das wichtigste heiligtum der zentralasiatischen muslime nach mekka und medina. netterweise knoten sie kleine stoffbaender in sie baeume, sieht ein bisschen aus wie gebetsfahnen, wenn das kein fliessender uebergang zwischen den religionen ist... gibt eine kleine moschee auf dem gipfel, einige grotten und felsritzungen, dort wird gebetet. (die muezzins in osch sind uebrigens die melodischsten und angenehmsten, die wir bisher gehoert haben). den sowjets war der pilgerort natuerlich ein dorn im auge, deshalb sprengten sie ein mehrstoeckiges museum in den berg rein. elegante loesung. das museum sieht aus wie das wohnzimmer einer modernen marsianischen familie aus den siebzigern.

inzwischen wurde sirke wieder vom bazillus angefallen, sie muss seit wir hier sind das bett hueten. wir haben zum glueck eine nette herberge gefunden, wo sichs gut aushalten und kurieren laesst. dort treffen wir ein aelteres franzoesisches radlerpaar. sie waren ein stueck auf dem pamir-highway unterwegs, der legendaeren traumstrasse, immer ueber 3000 meter, oft ueber vier. ein pilgerort vor allem fuer junge ambitionierte sport-radler, die hier fuer einen sechs-wochen-trip herkommen. und alle erstmal heftigst krank werden, die hotels dort seien die reinsten krankenstationen. das ist aber natuerlich wenig troestlich, endlich vorbeigehen solls, uns ziehts in die berge und nach china.

25.09.2013 kashgar, china.  nach drei tagen wars weitgehend ueberstanden, osch werden wir trotzdem in bester erinnerung behalten, eine sehr angenehme stadt. und nach dem losfahren wirds mit jedem meter noch schoener: huebsche kleine doerfer, ausgesprochen nette und freundliche und trotzdem zurueckhaltende!!! menschen. wir haben selten eine so entspannte atmosphaere erlebt wie hier. die kinder sind zucker! rennen alle zur strasse, wenn wir angeradelt kommen, und winken und rufen und rennen ein stueck mit, wie wenns ein wettbewerb waere. als wir in der naehe eines dorfes unser zelt aufschlagen, kommt bald eine halbe schulklasse vorbei (noch in schuluniform, die maedchen wie immer im dunklen kleid mit weissen schuerzen und weissen puescheln im haar, die buben mit schwarzer hose und weissem hemd), alle begruessen uns mit handschlag, gemeinsames foto, kurzes plaudern mit den mutigsten, dann gehn sie wieder.

nach einer halben stunde kommt ein junges maedchen mit ihrem kleinen bruder wieder, sie bringen selbstgebackenes brot, fett und frischen joghurt. spaeter noch drei radler-jungs fuers foto, sie fachsimpeln lange an unseren raedern rum.

die landschaft wird immer spektakulaerer: aus huegeln werden berge, aus taelern schluchten, nach dem zweiten pass (3600m) taucht das pamit-gebirge auf! in sary-tash kehren wir in einer tollen kleinen privatpension ein, die waende sind kaeltehalber teppichbehaengt. eine siedlung wie eine kleine kolonie am ende der welt. wir verhaengen den halben tag hier, so schoen ist das. 

verkehr gibts fast keinen mehr, alle halbe stunde ein leerer chinesischer truck. sonst ruhe. viele herden werden schon ins tal abgetrieben, von cowboys auf pferden. 

jurten gabs keine mehr, nur ueberall runde platte kreise, wo sie den sommer ueber gestanden waren. hier oben gibts noch viele tiere, sie weiden sich meist selbst, selten sind hirten zu sehen. grosse ziegen- und schafsherden, ueberall freilaufende esel und pferde, oft auch von ihnen ganze herden. die karge landschaft in allen beige- und brauntoenen geht nahtlos in die maechtigen schneebedeckte fuenf- und sechstausender ueber. es ist dermassen einsam und ruhig, wir machen aus einer tagesetappe zwei und schlafen direkt unterhalb des passes. wir sind uns einig: so eine schoene, imposante landschaft haben wir noch nie erlebt. als die sonne untergeht, wirds sofort saukalt, aber fuer diesen ausblick...